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Das Projekt „Der Osthafen von Selinunt“ unter der Leitung von Prof. Dr. Jon Albers wurde gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und fand in Kooperation der Ruhr-Universität Bochum und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn mit der Abteilung Rom des Deutschen Archäologischen Instituts (Prof. Dr. Ortwin Dally) sowie dem Parco Archeologico di Selinunte e Cave di Cusa (Dr. Barnardo Agrò) statt.

Kampagnenstart

Die Sommerkampagne 2020 der Klassischen Archäologie in Selinunt (Marinella di Selinunte, Sizilien/IT) startete am 27. Juli 2020. In dem Projekt erforscht ein Team aus ArchäologInnen und Studierenden der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Bonn in Kooperation mit der Abteilung Rom des Deutschen Archäologischen Instituts und dem Parco Archeologico di Selinunte e Cave di Cusa das Tal des Gorgo Cotone östlich des antiken Stadtgebietes. Das von der DFG finanzierte Projekt „Der Osthafen von Selinunt“ unter der Leitung von PD Dr. Jon Albers (Bochum) läuft bereits seit 2019 und hat das Ziel, einen architektonisch ausgestalteten Hafen im heute verlandeten Flusstal zweifelsfrei nachzuweisen. Bereits bei geophysikalischen Prospektionen in diesem Gebiet, die 2014-15 von der Universität Köln und dem DAI Rom durchgeführt wurden, konnten erste Hinweise entdeckt werden, die aktuell mit feldarchäologischen Untersuchungen in zwei Schnitten (S1 und S3) untermauert werden.

Projektseite der Uni Bonn

DFG-Projektseite

Grabungsbeginn im Schnitt 1

Nachdem im letzten Jahr bereits zwei Schnitte angelegt wurden, kam dieses Jahr ein weiterer hinzu: Neben den fortlaufenden Untersuchungen im Schnitt 1, wurde der Schnitt 3 neu angelegt. Im Schnitt 1 (Schnittleitung: Annkatrin Benz B.A. (2019) und Axel Miß M.A. (2020), Bonn) konnten 2019 verschiedene Strukturen, darunter Mauerreste und eine eingefasste Straße, freigelegt werden, die nun durch eine Erweiterung nach Osten weiterverfolgt werden. Dafür wurde zunächst die obere Deckschicht (Unità Stratigrafica 1) auf einer Fläche von 13 x 28 m mit dem Bagger abgetragen. Die darunter liegenden Erdbefunde und Strukturen werden anschließend sorgfältig zeichnerisch und fotografisch dokumentiert. Von da an geht es mit kleinerem Gerät weiter: Darin sind die italienischen Grabungsarbeiter, die größtenteils mehrere Jahrzehnte Erfahrung vorweisen können, die unverzichtbaren Profis. Bereits jetzt ist erkennbar, dass weitere Strukturen in der Grabungsfläche zu erwarten sind: Die aus 2019 bekannte Straße verläuft weiterhin entlang der nördlichen Schnittgrenze und auch südlich davon liegen Steinstrukturen, die nun weiter in der Tiefe untersucht werden. Während der Arbeit in der sizilianischen Sonne dürfen aber auch ausgiebige Pausen im Schatten nicht fehlen!

Grabungsbeginn im Schnitt 3

In diesem Jahr wurde in Selinunt der neue Schnitt 3 (Schnittleitung: Hannah Renners M.A., Kiel) im südlichen Bereich des Flusstals zwischen der Manuzza und dem Osthügel angelegt. 2019 konnten zuvor in der Literatur erwähnte Strukturen auf der südlichen Ostseite der Hafenbucht nicht angetroffen werden. Dafür wurde jedoch ein Stampflehmboden und die verbrannten Reste einer ephemeren Hafenrandbebauung entdeckt. Der Schnitt 3 soll nun Einblicke in die architektonische Gestaltung auf der Westseite der Hafenbucht liefern. Er bildet eine Verlängerung des 2019 gegrabenen Schnittes S2. Im Laufe der ersten Arbeiten in S3 konnten neben neuzeitlichen Bodenveränderungen (Bewässerungsgräben) auch der antike Hafenboden identifiziert werden. Für die Dokumentation werden alle neuen Befunde mit der Totalstation eingemessen und Orientierungspunkte für die Zeichnungen markiert.

Die Fundbearbeitung

Die Funde aus den Grabungen des Projekts werden parallel zur Grabung am Grabungshaus bearbeitet. Die Leiterin der Fundbearbeitung Miriam Rimböck M.A. (Bonn) wird bei allen Arbeiten tatkräftig von Leonie Nolte (Bochum) unterstützt. Neben dem Waschen und Sortieren der Keramik sind vor allem die Klassifikation, das Fotografieren und das Zeichnen der Fundstücke wichtige Arbeitsschritte. Das Fundmaterial ist durch die Bodenbedingungen in der verlandeten Hafenbucht eher schlecht erhalten und stark zerscherbt. Dennoch konnte 2019 bereits ein sehr großes Vorkommen von Transportamphoren, die aus dem griechischen Mutterland, Nordafrika und Südfrankreich importiert wurden, in dem archaisch bis klassisch datierenden Material erkannt werden, welches wiederum die Deutung des Flusstals als ehemalige Hafenbucht verstärkt.

 

Sonntags im Archäologischen Park: Die Akropolis und der Osthügel von Selinunt

Selbst nach sechs Tagen der Grabungsarbeit jede Woche hat das Team des Osthafen-Projekts noch nicht genug von der Archäologie: Sonntags wird der archäologische Park von Selinunt erkundet! Am 9. August standen die sog. Akropolis mit dem monumentalen Heiligtumsbereich an der Südspitze, der spätklassischen Festungsanlage und den Wohngebäuden verschiedener Phasen sowie der Osthügel mit weiteren großen Tempeln auf dem Programm. Bei dieser Exkursion konnten die Studierenden die architektonischen Reste der antiken Stätte erkunden und sogar eine exklusive Vorführung der Funktionsweise von Mahlsteinen erleben. Daneben boten sich die gut erhaltenen Reste der dorischen Tempel auch für detaillierte Datierungsüberlegungen an. Zur kurzen Erfrischung zwischendurch durfte eine Pause am Granita-Stand auf der Akropolis natürlich auch nicht fehlen.

Impressionen aus dem Grabungsalltag: Das Grabungshaus

Trotz der aktuellen Umstände durch die Corona-Pandemie konnten die Feldarbeiten planmäßig anlaufen, wenn auch unter besonderen Bedingungen. So reiste das Team auf unterschiedlichsten Wegen an und ist aufgrund von Einzelzimmerbelegung auch in Selinunt an drei verschiedenen Orten untergebracht. Das tägliche Zentrum bildet allerdings weiterhin das Grabungshaus auf dem Manuzza-Hügel mitten im archäologischen Park von Selinunt mit einem spektakulären Blick zur Akropolis und dem monumentalen dorischen Tempel C. Das heutige Haupthaus, welches vor der Parkeröffnung als Wohnhaus errichtet wurde, besteht seit den 1950er Jahren neben weiteren Wohn- und Magazingebäuden, darunter eine umfunktionierte Kapelle von 1862. An diesem Ort wird zusammen gegessen, das Fundmaterial bearbeitet und die Abende gemütlich gemeinsam beschlossen. Dieses Jahr gehören zudem auch fünf Hunde zum Inventar dazu.

Drohnenflüge

Morgens in aller Frühe oder abends nach dem Essen – dann kann Dr. Barbora Weissová (Bochum) am besten mit der Drohne Aufnahmen vom Gorgo Cotone-Tal und den beiden Grabungsschnitten machen. Zu diesen Zeiten steht die Sonne noch oder schon wieder tief und es gibt keine Schatten, welche die Sicht auf die Befunde beeinträchtigen. Neben den Dokumentations- und Orthofotos, die vor allem bei den großen Ausmaßen der beiden Schnitte anders nicht mehr zu erstellen wären, begleitet die Drohne das Team auch regelmäßig bei Ausflügen oder es werden Fotografien für die Außendarstellung der Grabung erstellt. So hat Prof. Dr. Jon Albers (Bochum) beispielsweise Ende August einen Vortrag über das Projekt und den Fortgang der Arbeiten für die breitere Öffentlichkeit gehalten, für welchen ein Werbefoto erstellt werden musste.

Weitere Arbeiten in den Schnitten 1 und 3

Nachdem der Bagger die gesamte Untersuchungsfläche in Schnitt 1 freigelegt hat, wird jeder neue Befund einzeln ergraben. Da zeitgleich immer auch die bereits dokumentierten Schichten abgetragen werden, kann es dabei teilweise auch ein wenig stressiger zugehen – aber unsere ZeichnerInnen und BefundbeschreiberInnen ließen sich nicht aus der Ruhe bringen! Bei der fotografischen Dokumentation, die neben den Drohnenfotos auch weiterhin per Hand gemacht wird, kann es bei stärkerem Wind auch mal etwas abenteuerlicher werden. Im Schnitt zeichnet sich derweil ab, dass die Befunde aus dem 2019 ergrabenen Teil auch in der Westhälfte der Erweiterung weitergehen – das entsprechende Niveau ist mittlerweile erreicht. Nun geht es darum, an einigen Stellen weitere Informationen zu den darunterliegenden Schichten zu erhalten und den gesamten architektonischen Komplex besser einordnen zu können. Der Projektleiter Prof. Dr. Jon Albers ist jedenfalls ständig präsent, um den aktuellen Stand und das Fundmaterial zu begutachten.

Im Schnitt 3 wurde derweil eine Erweiterung der Grabungsfläche nach Westen angelegt: hier wurden großflächige Erdbefunde mit Streifen angetroffen, die als Abdrücke einer Holzkonstruktion interpretiert werden kann. Die am Westrand der Fläche angetroffenen Reste der Emplektron-Verfüllung der ursprünglichen Stadtmauer Selinunts wurden hingegen nur dokumentiert aber nicht weiter untersucht, da die Fragestellung des Projekts sich vor allem mit den Hafenstrukturen beschäftigt. Dahingehend könnte sich an dieser Stelle nun ein Bereich für die Lagerung oder Instandhaltung der antiken Schiffe befunden haben – auch aus anderen antiken Städten sind Befunde sogenannter Schiffshäuser bekannt, so beispielsweise in Naxos an der Ostküste Siziliens.

 

Geomorphologisch-sedimentologische Untersuchungen

Zusammen mit zwei Studierenden der Universität Osnabrück führten die Geographen Dr. Marlen Schlöffel und Dr. Steffen Schneider (Uni Osnabrück/DAI Rom) geomorphologisch-sedimentologische Untersuchungen im Tal des Gorgo Cotone durch. Dabei werden Bohrungen im Erdreich vorgenommen, die nach der Auswertung am Grabungshaus Informationen über die geologische Geschichte des Tals und insbesondere den Verlandungsprozessen des antiken Hafenbeckens des Osthafens liefern. In den Bohrkernen befinden sich die einzelnen Schichten entsprechend ihres Entstehungsverlaufes ganz ähnlich eines archäologischen Profils. Die Proben beinhalten dabei neben Resten wie Sedimenten und Muscheln auch archäologischen Fundmaterial.

Exkursion zur Cave di Cusa

Neben dem archäologischen Park von Selinunt konnten die Studierenden auch den großen Steinbruch östlich des Stadtgebiets von Selinunt, die Cave di Cusa, besuchen. Das Areal erstreckt sich über fast 2 km und ermöglicht Einblicke in die verschiedenen Arbeitsschritte beim Abbau des Kalksteins. Besonders beeindruckend sind die riesigen Kapitelle und Säulentrommeln, die wohl einst für die Errichtung des monumentalen Tempels G auf dem Osthügel vorbereitet worden waren. Wie genau der Transport des Materials zum Bestimmungsort in Selinunt vonstattenging wird bis heute heiß diskutiert. Ob nun aber zu Land oder zu Wasser: beeindruckend ist das technische Wissen und die Leistung der antiken Handwerker ohnehin.

 

Letzte Arbeiten der Kampagne 2020

Irgendwann geht jede Kampagne mal zuende. Fünf Wochen lang hat das Team der Universitäten Bochum und Bonn zusammen sehr viele interessante Befunde und Strukturen freigelegt und der Erkenntnisgewinn ist immens! In der Zeit wurden die zwei großen Flächen gegraben und zusätzlich einige Sondagen innerhalb der Schnitte angelegt. Abschließend mussten die letzten Zeichnungen angefertigt und die Flächen für die Abschlussdokumentation vorbereitet werden. Beim Abschlussgrillen fand die erfolgreiche Zusammenarbeit mit allen Beteiligten einen feierlichen Abschluss.

Was genau das Team in den beiden Schnitten gefunden hat, zeigen wir im Video zur Kampagne.

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